A.S.: Ich hänge an die Woche des Frühlingstraining mit dem RC Concordia im Cilento eine touristische Trainingswoche an. Das Wetter soll zuerst wechselhaft sein, sich dann aber bessern. Geplant habe ich eine Fahrt an der italinischen Mittelmeerküste nach Sizilien, um mir dort Ausgrabungen anzusehen.
(77 km, 5:58/7:00, Ø 29,1 km/h, 1197 Hm) Am Sonntag endet das Traininglager im Hydra-Club in Marina di Casal Velino, die Autos werden beladen. Ich schlage die Richtung Süden ein (mit reichlich Gegenwind) und es geht auf gleicher Strecke wie schon zuvor an Pisciotta vorbei und mit einem Rückblick an der Küste auf die Halbinsel von Palinuro über Marina di Camerota hinauf über Lentiscosa mit kleinem Paßrücken nach San Giovanni a Piro, wo ich lecker zu Mittag esse: Es gibt frische Canelloni mit Ricotta und Tomatensoße! Nach Sapri wird die Küste wieder interessanter, gleichzeitig zieht sich aber auch das Wetter zu, wie vorausgesagt:-|
Gerne wär ich jetzt in Marina di Maratea am Hafen eingekehrt, doch das Wetter ist wenig einladend und erste Regentropfen erreichen mich. Und schon nach 10 km gegen 15:00 schüttet es in Praia a Mare! An der Küstenstraße versuche ich ein Hotel zu finden, werde dabei aber richtig naß und komme im nahegelegenen Stadtzentrum unter. Am frühen Abend dann beruhigt sich das Wetter, nachdem es lange und heftig durchgeregnet hat. Ich vertreibe mir wie die Einheimischen auch die Zeit, abends gibt es im Hotel noch einen 'musikalischen Abend' einer Rentnergruppe aus Rom, bei dem ich noch mit anderen ital. Gästen in's Gespräch komme.
(82 km, 3:47/5:02, Ø 21,7 km/h, 723 Hm) Das Wetter ist so lala. Ich versuche auf der alten Strecke am Meer zu bleiben, mittlerweilen gibt es auch die besser ausgebaute SS18. Dabei windet sich die alte Straße den topographischen Gegebenheiten folgend auf und ab, während die neue SS18 das Gelände in kühnem Bogen überspannt, wie hier nördlich von Scalea in der Nähe des Capo Scalea.
Auf den nächsten 15 km lockert das Wetter immer mehr auf, so daß ich den Hafen von Diamante schon bei Sonne erreiche. Hier schlägt das Meer recht heftig gegen die Befestigungsanlagen, ich wäre gerne eingekehrt, doch drängt mich mein Zeitplan weiter. Oben auf der Promenade blicke ich zurück und fahre weiter 'gen Süden. Allerdings macht sich jetzt das von meinen Vereinskameraden immer wieder bemängelte Material bemerkbar (da bin ich halt ein Sparfuchs): Hinten fange ich mir einen Nagel ein (der zwei Löcher macht) und vor Paola gibt es wieder einen Platten. Jetzt habe ich weder Schlauch noch Flicken im Gepäck:-( Notdürftig erreiche ich Paola an Nachmittag und wieder regent es bis abends, so daß die Kilometerleistung dürftig ist.
Der Sonnenuntergang an der Küste gestaltet sich dramamatisch.
(153 km, 6:37/8:39, Ø 23,1 km/h, 1222 Hm) Es ist bedeckt, ich suche den Radladen: Der hat Schläuche, aber keine Reifen in passender Größe. Ich setze das Rad instand, dabei wendet sich das Wetter zu Sonne:-) Ab jetzt bleibt das Wetter stabil sonnig und warm!
Nach kurzer Fahrt erreiche ich San Lucido mit tollem Blick auf die vor mir liegende Küste! Ich gebe Gas, um wenigstens Sizilien noch zu erreichen; die archäologische Rundreise habe ich mir schon abgeschminkt. Aber das Training ist ja vorbei, jetzt ist Urlaub angesagt! Also keine Hetze ... An der Küste rollt das Rad dahin, so erreiche ich am Leuchtturm vorbei das Capo Suvero: Hier umfährt die Straße den Flugplatz im Hinterland (wo mich wieder mal ein Platter erwischt:-( Ich schwöre mir beim nächsten Radladen eine Totalsanierung des Rades vorzunehmen!
In flotter Fahrt erreiche ich jetzt Pizzo: Hier stärke ich mich in einer kleinen Bar mit Blick über die Stadt auf's Meer. Abseits der Küste ist das nicht teuer und der junge Wirt gibt sich viel Mühe (Rosso und Panini formaggi e crudo). Die Altstadt unter mir beim Verlassen sieht sehr nett aus, ich strebe aber mit einem Rückblick auf Pizzo und die sich windende Küstentraße weiter 'gen Süden. Immer der Küste folgend passiere ich Tropea, hier verpasse ich dummerweise den Abzweig zum Capo Vaticano, und schlage mich ein tief eingeschnittenes Tal passierend durch bis Joppolo. Von hier folge ich der, wegen einem Hangrutsch gesperrten, Straße mit tollem Blick auf die Küste mit der Mündung des Mesima über Nicotera (sehr nett!) nach Nicotera Marina (am Meer!). Abends schaue ich mir nach dem Essen noch den Ort bei einsetzender Dunkelheit an. (Dabei sehe ich, wie die hell erleuchteten Züge langsman am steil zum Meer hin abfallenden Hang hinaufklettern, den ich vorher noch von größerer Höhe hinuntergefahren bin. Später werde ich selber hier im Zug sitzen ...)
(135 km, 6:19/10:00, Ø 21,3 km/h, 1172 Hm) Bisher war die Küstenlandschaft ganz nett; in der - meist vom Tourismus - besiedelten Küstenregion allerdings lief die Straße oft nicht direkt am Meer entlang. Nur in den Orten konnte man die Küstenpromenade entlang fahren. Ab jetzt im südlichen Kalabrien wird sich das ändern.
Zuerst geht es aber flach am neuen Hafen entlang zur Hafen- und Industriestadt Gioia Tauro. Von dort folge ich der Straße am Meer nach Taureana, wo die Straße aber vom Meer ansteigt an Palmi vorbei führt und ich in über 500 m durch die Wolken (oben rechts) fahre. Herunter zum Meer komme ich dann wieder in Bagnara Calabra, wo nach einer Messe vor der Kirche eine Kapelle spielt. Die Hanglage der Stadt bietet eine atmeberaubende Fahrt hinunter an's Meer mit interessanten Ausblicken auf die Küste!
Die immer schöner verlaufende Küstenstraße direkt am Meer führt mich jetzt nach Scilla. Hier lege ich eine Essenpause ganz in der Nähe des Strandes ein: Qualität, Preis und Service sind aber sofort der touristischen Infrastruktur geschuldet! Ich verlasse die Stadt mit einem schönen Rückblick, entferne mich auf der sich windenden Küstenstraße (Rückblick auf Scilla) und erreiche schon bald den Hafen von Villa San Giovanni mit Fähre nach Messina.
Hier parke ich das Rad im Autodeck, während ich an Deck die Überfahrt mit einem Rück-Blick auf die Meerenge von Messina genieße. Keine Stunde später erreiche ich schon den Hafen von Messina auf Sizilien! Für die Insel habe ich das archäologische Programm komplett gestrichen: Ich will mich auf die Umrundung des Etna und den umgebenden Naturpark konzentrieren. Aus Messina hinaus folge ich der Küste nach Süden über Nizza di Sicilia nach Taormina, wo noch einmal 200 Hm anstehen; sizilianische und andere Freunde haben mir aber diese - touristisch ausgeschlachtete - Stadt empfohlen. Mit etwas Mühe finde ich ein bezahlbares Zimmer, schaue mir die abendliche Stadt an und esse lecker.
(88 km, 5:43/7:50, Ø 15,3km/h, 3046 Hm) Bevor es heute wieder hinunter an's Meer geht, bummel ich morgens nochmal durch die jetzt ruhige Stadt. Dabei ergibt sich ein schöner Blick auf das Meer, Giardini-Naxos und die Hänge des Etna! Nach ein paar Kilometern am Meer biege ich allerdings in's Landesinnere ab und steuere die Stadt Linguaglossa an: Freunde er zählten mir von ihrer Schönheit. Ich durchfahre die wirklich schöne Stadt aber recht achtlos, weil der Straßenbelag sehr uneben und rutschig ist: Er scheint aus Lavabrocken gemacht zu sein! Aus der Stadt hinaus überquere ich die Ferrovia Circumetnea und kann mich in einem Spiegel mit dem Etna verewigen.
Dann liegt er vor mir: Der Etna mit dem ihn umgebenden Parco dell'Etna. Als ein Bergtraining und um möglichst viel Zeit in dem Park und am Etna zu verbringen, will ich heute sowohl die Nordauffahrt (über Mareneve und an Citelli vorbei) als auch die Ostauffahrt (und folgend dann die Südwestabfahrt) fahren. Dabei durchquere ich schon ausladende Lavafelder mit schneebedecktem Etna. Durch eine klasse Landschaft mit interessanter Vegetation erreiche ich mit dem alten Gios den höchsten Punkt dieser Auffahrt unterhalb des Etna.
Der Hang des Etna ist nicht steil, so geht es in weiten Kurven und in schneller Fahrt wieder hinunter durch Formazzo und Milo in's Städtchen Zafferana Etnea. Hier mache ich eine ausgedehnte Mittagspause: Es gibt vorab Tomatensalat, danach Pasta ragu; das war extrem lecker! An Kirche und Platz vorbei mache ich mich in der Nachmittagshitze an die zweite Auffahrt des Tages, hinauf auf das in ca. 2000 m gelegene Rifugio Sapienza unterhalb des Etna vom ital. Alpenverein Club Alpino Italiano, kurz CAI.
Obwohl es erst früher Nachmittag ist und ich wieder hinunterfahren könnte, entschließe ich mich für die einmalige Übernachtung im Rifugio! So habe ich noch Zeit, hier gelegene Nebenkrater zu erwandern und den Blick in die unter mir liegende, mondartige Lavawelt zu genießen. Wolken ziehen dabei in schneller Folge von Norden über den Gipfel hinweg und tauchen die Szenerie bisweilen in gespenstiges Licht (Blick hinüber zum Rifugio).
(150 km, 6:57/8:54, Ø 21,5 km/h, 1635 Hm) Ich genieße die Stille bei einem sonnigen kleinen Rundgang vor dem Frühstück. Dann folgt die Abfahrt auf kleinster Nebenstrecke (die alte Route?) hinunter wieder durch Lavafelder mit Blick in die Ebene unter mir. Durch Gärten scheinends aufgelassener Dörfer fahre ich hinunter: Den Etna habe ich dabei immer im Blick!
Ich erreiche dann der Ferrovia Circumetnea folgend Randazzo: Hier stärke ich mich in der beschaulichen Bar direkt gegenüber der Kirche. Anschließend sehe ich mir den verschlafenen Ortsteil an.
Es folgt dann die Überquerung des Bergrückens Nebrodi in Richtung Norden, um an die Nordküste Siziliens zu gelangen. Dabei habe ich mit dem Wetter Glück und nehme kleine Straßen; wie bisher immer seit Linguaglossa gibt es kaum Autoverkehr. Es gibt noch schöne Landschaft, viele Ansichten des Etna und eine klasse Abfahrt mit mäßigem Belag hinunter nach Patti. Eigentlich die gesamte Fahrt an der Küste bis nach Messina gestaltet sich jetzt aber als nicht so schön: Ständig viel Autoverkehr, enge Straßen mit oft schlechtem Belag, heikle Ortsdurchfahrten, unansehnliche Industriegebiete, weite Entferung zum Meer und nichtkanonische Wegeführung! So erreiche ich Milazzo, suche lange nach einer geeigneten Unterkunft und bummel nach dem Essen (super lecker in einheimischem Restaurant!) noch an der abendlichen Hafenpromenade entlang.
(93 km, 4:40/8:25, Ø 20,0 km/h, 361 Hm) Genau wie das Gios erwache ich mit Seeblick;-) Nach dem Frühstück fahre ich am kleinen Hafen entlang, wo die Fischer ihren Fang anbieten. Bei leicht bewölktem Himmel umrunde ich den Nordostzipfel Siziliens, mache eine kurze Pause am Meer in Torre Faro, nehme Kurs auf in Richtung Messina und schaue mir noch die als Landmark stehengebliebenen Masten der alten Hochspannungsleitung an (Pilone di Torre Faro, Höhe 232 m! Im Dunst erkennt man das Gegenstück auf dem Festland.)
Es ist sehr windig in der Straße von Messina, so entschließe ich mich gegen ein Mittagessen im Freien und esse in Ganzirri am Lago Grande lecker Spaghetti alla cozze, gefolgt von Panna cotta con frutti di bosco! Bei mäßigem Wetter fahre ich jetzt nach Messina, warte auf die Fähre und fahre am Hafen von Villa San Giovanni mit Zugverladeterminal weiter nach Süden ..., nach Reggio di Calabria, den Endpunkt der Tour! (Insgeheim träume ich schon davon, mal mit dem Zug nach Sizilien zu reisen, um diesen einmaligen Zugverlad zu erleben bevor das - inzwischen gestoppte - Brückenprojekt es gänzlich unmöglich macht; in 2012 - s.u. - ist es dann auch soweit.)
Hier warte ich auf den Nachtzug, der mich im komfortablen Schlafwagen-Einzelabteil am Hafen Villa San Giovannis mit nächtlichem Treiben vorbei nach Norden bringt. Zwischenzeitlich fängt es an zu regnen, so daß ich merke, wieviel Glück ich mit dem Wetter auf Sizilien gehabt habe! Aus dem Fenster schauen tue ich dann bei der Fahrt vorbei an Marina Nicotera, hoch oben über dem Mittelmeer (und vielleicht schaut jetzt gerade jemand anderes aus Marina hoch zum sich am Hang hinauf windenden Zug in der Nacht ...); dann lege ich mich schlafen.
Morgens bekomme ich dann den Kaffee vom Schaffner. Über Bologna, Milano und Zürich geht es zurück nach Frankfurt. Dabei konnte ich auch einige Blicke auf die Baustelle des Gotthard Basistunnels werfen.
777 km und 9350 Hm sind eine gute Ergänzung zum Frühjahrstraining mit dem Radclub. Die Fahrt an der Küste war toll, besonders im Süden Kalabriens. Die Ruhe und Friedlichkeit um den Etna war schon eine Reise wert genau wie die Landschaft und Vegetation dort! Essen an der Küstenregion und Trinken generell in Italien ist immer wieder spitze! ... und die archäologischen Ausgrabungen bleiben halt für die nächste Tour auf Sizilien (2012;-)